Donnerstag, 6. Januar 2011

Sternstunden und Bauchgefühle oder Die Zeit ist reif

Neues Jahr, neues Glück - neue Vorsätze, neue Vorhersagen.

Auf dieser Assoziationskette gab es Mittwochabend im Radio eine Diskussion über den Wert von und Erfahrungen mit Astrologie. Zu Wort meldeten sich Privatpersonen - meist um zu berichten, welche Vorhersagen alle nicht eingetroffen waren -, der Leiter eines Planetariums, der die astronomische Seite der (ja, historisch tatsächlich) eng verwandten Wissenschaften vertrat. Und der Chef der Berufsgruppenvertretung der AstrologInnen in der Wirtschaftskammer (ja, die gibt es), der Wert auf Differenzierung legte: natürlich gebe es Scharlatane, aber die Berufsgruppenvertretung sei ja gerade für die seriösen VertreterInnen des Handwerks da. Diesen lägen Pauschaulvorhersagen ebenso fern wie die Ansicht, sich allein auf die Sterne zu verlassen reiche aus.

Im Universum walten eine Menge Kräfte, und wir können nicht alle verstehen und nur einige erforschen. Vermythisieren müssen wir sie nicht. Wahrscheinlich unterliegen allerdings die Lebewesen und die Sterne gleichermaßen diesen Kräften - in letzteren können wir sie lesen. Und auch in uns selbst: das berühmte "Bauchgefühl" gibt uns manchmal nicht weniger Auskunft darüber, ob eine Entscheidung passt, eine Sache möglich ist, wir uns gut damit fühlen. Dem Bauchgefühl jedenfalls sollten wir öfter trauen - meine ich.

Man kam darin überein, dass es Sternstunden gebe. Horoskope können uns Auskunft darüber geben, wann die Sterne günstig stehen, wann die Zeit reif ist für uns, für ein Vorhaben. Handeln müssen wir schon selber.

Sonntag, 28. November 2010

Tropfen auf den heißen Stein der Integration

Man kann, wie ich aus Erfahrung weiß, lange diskutieren über die Rechte und Pflichten, Erwartungen und Nutzen von Integrierenden und Integranden - mit und ohne Interview des türkischen Botschafters.

Sicher ist für mich, dass zur Integration zwei gehören, und dass beide Bereitschaft zeigen müssen. Sicher ist auch, dass beide Gruppen nicht über einen Kamm geschoren werden können - da wie dort gibt es "Schmarotzer" und "Verweigerer". Jeder hat aber Mittel und Potenziale - die eine Seite hat die Infrastruktur, die andere Seite bringt Sprache und Kultur mit.
Damit sie sich in die neue Sprache und Kultur einfinden können, müssen sie diese annehmen - aber auch ein Angebot bekommen. Wir können es bieten. Es fällt uns kein Zacken aus der Krone, wenn wir ein bisschen Infrastruktur, Wissen und Geld dafür investieren - für diejenigen, die es annehmen wollen. Wir haben trotzdem noch genügend davon.

Ein Beispiel für ein sinnvolles Integrationsangebot, das gerade im Entstehen ist, ist das Lernhaus am Schwendermarkt. Kinder, die von zu Hause nicht den nötigen Hintergrund mitbringen, sollen dort nachmittags Unterstützung bei Hausaufgaben, Leseförderung und ein wenig Freizeitprogramm geboten bekommen. Das fördert Sprachkenntnisse, und sie lernen Gleichaltrige kennen, ohne in den Ballspielkäfigen am Gürtel versauern zu müssen. Ausgewählt werden die Kinder und Jugendlichen aus verschiedenen Schulen (wie fair die Auswahl sein kann, auch darüber kann man wahrscheinlich streiten).

Ich würde es sinnvoll finden, könnte ich die Stunden eines Nachmittags in der Woche für freiwillige Arbeit "opfern", um Kindern, die das wollen (oder Kindern von Eltern, die das wollen), Freude am Lesen und Deutschkönnen zu geben.

Sonntag, 21. November 2010

Kultur demokratisch

"Kultur ist per definitionem nicht demokratisch", sagt Andrew Keen und beklagt, dass diese von ihm definierte Kultur durch das Internet mürbe gemacht wird. Letzteres sei eine wunderbare PR-Plattform für geschäftliche und private Selbstdarstellung, aber keine Bühne für "echte" Autoren und Künstler. Viel zu wenig Kontrolle, viel zu wenig Regulierung gebe es, und so tummelten sich dort vorwiegend Amateure und Narzissten, gegen die die "Echten" dann kaum ankämen.

Natürlich: Medien, die von jemandem "gemacht" werden und nicht aus einer wabernden Masse der "Community" entstehen, sind gesteuerter. Aber: ist erstens nicht auch das zuweilen gefährlich, wenn etwa ein Berlusconi auf des Staates Fernsehen und Zeitungshäusern sitzt? Und ist zweitens nicht schon seit einigen schleichenden, dann rasenden Jahren die allgemeine Tendenz aller Medien die der Mitmischerei? Alle Zielgruppen einzubinden, auf dass alle irgendwann mitmischen, um vermeintlich die Masse zu erreichen (was ja auch teils funktioniert)? Es wird nicht mehr bloß gesendet, "emittiert". Zunächst werden die Stars imitiert, dann gibt es Apps auf allen Ebenen.
Und es folgt eine neue Zugänglichmachung. Rückblickend vielleicht gut so. Als Gutenberg das Privileg der Mönche abschaffte, Bücher zu machen, hat er auch demokratisiert: den Zugang. Es ist kein neues Schlagwort, dass Internet der neue Gutenberg ist. Wieder hat die Masse Zugang bekommen. Es steigt die Angst, sie könne mit dem Medium nicht umgehen. Andererseits steigt mit dem Zugang auch das Verständnis, und irgendwann wird das wohl auch im Netz so sein. Regulierungen hinken den Trends ja stets hinterher, gezwungenermaßen.

Ob Kultur demokratisch ist oder nicht, ist Definitionssache und schwer zu definieren. Der Zugang jedoch soll demokratisch sein. Wie das funktioniert, ohne jemand zum Nachteil zu gereichen, ist die Antwort, die stets hinterherhinkt. Aber, auch wenn jetzt (zu Recht!) die Skepsis waltet: wir (oder unsere Kinder) werden sie - eine - finden.

http://diepresse.com/home/kultur/kunst/611497/Andrew-Keen_Kultur-ist-nicht-demokratisch

Sonntag, 14. November 2010

Entwicklungszusammensponsoring

Innerhalb des Budget-Plans wird in Zukunft die Summe für die Entwicklungszusammenarbeit um ein Drittel gekürzt. Österreich hat also noch 60 % vom ursprünglichen Budget, um damit seine Initiativen zu verstärken und den Millenniumsplan einzuhalten. Laut Caritas-Chef Franz Küberl ist dadurch nicht nur die Ernährungssicherheit der Kinder in benachteiligten Ländern gefährdet, sondern können auch begonnene Strukturen, um Armut zu lindern und (Natur-)Katastrophen vorzubauen, nicht weitergeführt werden.

Und, so der Nachrichtensprecher, auch das Renommee Österreichs im Ausland ist gefährdet. Aber auch das nützt, scheints, nicht als Argument.
Außenminister Spindelegger will den Mangel jetzt durch Spenden ausgleichen.
Firmenspenden? Privatmenschenspenden? Ich weiß es nicht.
Firmen machen vielleicht mit, wenn man sie mit Renommee lockt. Geld gegen Werbung, Sponsoring der Dritten Welt?
Und Privatmenschen? Da ist kurz vor Weihnachten wohl ein guter Zeitpunkt, das Problem zu thematisieren. Denn sonst finden wir Österreicher uns selbst ja schon so arm.

Donnerstag, 11. November 2010

Warum habt ihr einen Türken nicht richtig zitiert?

Tezcan: "Warum habt ihr 110.000 Türken eingebürgert?"

So die Überschrift des - mittlerweile umfehdet-umstrittenen - Presse-Interviews.

Tezcan, seit einem Jahr türkischer Botschafter in Österreich, kritisiert sehr wohl - hart, aber nicht unsachlich - die mangelnde österreichische Integration. Dabei ist er mit der berühmten Gesamtsituation unzufrieden: das beginnt damit, dass Integration Thema des Innenministeriums ist und damit verquickt wird mit Sicherheit und Kontrolle. Das geht über den immer noch unzureichenden Zugang zu (höherer) Bildung und endet bei der Wohnungsvergabe, die nach wie vor eine Ghettoisierung fördert.

Dabei schont er nicht nur seine Landsleute nicht und steht Politikern jeglicher Couleur kritisch gegenüber - er wird in der ganzen hochgeschaukelten Diskussion auch noch unzureichend zitiert. Denn kritisiert wird ja vorwiegend seine "undiplomatische" Stellungnahme, vielleicht auch der journalistische Zugang dahinter. (Abgedruckte) Tatsache ist: Ganz zu Beginn fragt Tezcan nämlich selbst (anscheinend unaufgefordert): Wollen Sie, dass ich im Interview als Diplomat antworte, was langweilig wird? Oder soll ich als jemand antworten, der seit einem Jahr in Wien lebt und viele Kontakte zu den 250.000 Türken hier hat? Und der Interviewer muss "nur noch" antworten: Ich ziehe die zweite Variante vor. Und kann dann schon überleiten zu der Frage, was denn nicht stimme.

Ich weiß nicht, ob die Idee gefinkelt journalistisch erwirkt wurde oder ob die Frage direkt von Tezcan stammt, beeinflusst von seiner außenpolitisch-diplomatischen Lebenserfahrung oder um diese ad absurdum zu führen.

Ich halte es nicht für schlecht, dass er eine Diskussion herausfordert, noch dazu mit recht differenzierter Kritik. Aber wer diskutiert, sollte zumindest das ganze Interview gelesen haben.

http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/608981/Tezcan_Warum-habt-ihr-110000-Tuerken-eingebuergert?_vl_backlink=/home/politik/innenpolitik/609016/index.do&direct=609016

Sonntag, 7. November 2010

„Europa ist eine Ansammlung alter Geschichte.“ Notizen zu Richard K. Breuers "Tiret"

„Ach, seid so freundlich und tretet mir nicht auf all die vielen Teile meiner Taschenuhr.“

Wahrlich kein typischer historischer Roman. Das sage ich, nachdem ich Richard Breuer zufällig auf einer Veranstaltung kennen gelernt und ihm versprochen habe, den Text zu lesen. Weder breitenwirksam noch ernsthaft tränendrüsig, leicht ironisch distanziert und historisch genau recherchiert (wer sich die Mühe macht, genau zu lesen, auch die Fußnoten, kann Erkenntnisse davontragen). Da schreibt einer, der sich als Kenner und Liebhaber von Literatur und Geschichte zeigen will und Wurzeltriebe und Auswüchse der Philosophie miteinander verzweigt. Mit einem Genauigkeitsanspruch*, der sich auch im ernsthaften Literaturverzeichnis spiegelt. Hauptverdienst des Ganzen ist übrigens der Anstoß, wie man, ausgestattet mit einem intertextuellen Rucksack altehrwürdiger Literatur und Philosophie, typografische Wegzehrung in der Tasche, die heutige Medienlandschaft erwandert.

*) Wobei, wie im Buch letzten Endes angemerkt wird:

"Geschichte ist immer eine Fiktion."

http://1668cc.wordpress.com/

Samstag, 6. November 2010

Gelesenes, Wiedergekäutes, Krummgedachtes

Ich überlege, in dieser kleinen Ecke des Internet, in dem ich hin und wieder meine Kommentare zu Ereignissen und Wortmeldungen der kleineren und größeren Weltgeschichte hinterlasse, auch über das aktuelle Geschehen hinauszugehen.

Warum als alte Bücherwürmin nicht auch Gelesenes einbeziehen?

Bücher lesen, verdauen, wiederkäuen und das, was einige Male dazu im Kreis durch den Kopf gegangen ist, hier ausspucken.

Vielleicht werden sich hier in Zukunft auch Buchrezensionen, Textkommentare, Lesebruchstücke finden.

Samstag, 30. Oktober 2010

Das unfaire Paket

Über 70 % der Österreicher finden das neu verabschiedete Budget unfair. Studierende gehen auf die Straße. Und die FPÖ gewinnt so weit an Stimmen, dass sie in Wien knapp hinter den Koalitionsparteien liegt.

Zufällig falle ich in keine der Parade-Opfer-Kategorien: als autolose Nichtraucherin, die nicht mehr studiert und noch keine Familie hat, niemals unter die Hackler-Regelung fallen wird und keine Luxuslimousinen besitzt. Wenn ich hin und wieder verreise, ein-, zweimal pro Jahr davon per Flugzeug, würde ich dafür lieber einen Baum pflanzen als Steuern zahlen, aber auch das würde ich tun. Und höhere Tabakpreise finde ich in Ordnung, obwohl keine wirksame Strategie.

Einige trifft es aber doppelt und dreifach. Und hinter diesem Problem steckt das übliche: Abwarten bis nach der Landtagswahl, dann ein übereiltes Budget, Zurückziehen auf die Proteste hin... was dabei herauskommt? Wahrscheinlich eine österreichische Lösung: ein halbherziges Paket aus Zugeständnissen und Zumutungen, das auch nicht recht ziehen wird.

Freitag, 29. Oktober 2010

Literatur 2.0 oder Die Auswüchse der Verlagsbranche

Ein Verlag in München bietet "personalisierte Romane" an. Auf der Internetseite steht eine genreumspannende Auswahl an Beispieltexten zur Verfügung, die man sich unter Angabe von Eigenschaften der gewünschten Hauptpersonen - in der Regel die Lieben und Freunde, die man mit dem Ergebnis beschenken will - gefügig machen kann.

Kerninformationen, Abbildungen und Textbeispiel sollen uns auf den Geschmack bringen. Ein strukturiertes Bestellformular begleitet uns beim Anlegen dieses pseudo-persönlichen Werks. Dort können wir etwa "eine Anzahl von persönlichen Eigenschaften und Vorlieben der beiden Hauptfiguren festlegen: Name und Kosename, Augen- und Haarfarbe, Orte, oft auch Lieblingsfarbe und -musik". Nebenbei bemerkt: "Liebesszenen wählen sie [sic!] zwischen den Varianten 'lässig' und 'rassig'." Und auch der oder die Schenkende wird auf einer Widmungsseite verewigt, auch dem schenkenden Ego ist also Genüge getan.

"Personal Novel" - das ist: nicht nur Selbstbeweihräucherung und die Vorgaukelung der Tatsache, mit etwas Hilfe (einem Textskelett, einer Pauschalhandlung) eine Art Roman zu kreieren ("Schau, ich kann schreiben.") Auch ein absurdes Modern-Times-Phänomen: die publikatorisch-medialen Auswüchse einer Literatur 2.0(Schlagwort "interaktiv"). Sozusagen das Umkehrmotiv der neuzeitlichen Massenproduktion und Gleichmacherei ("Du kannst individuell gestalten.") Mit dem heute so ziemlich jedes Unternehmen im Dienstleistungssektor wirbt (à la "Wir bieten maßgeschneiderte Lösungen..." - ein ganz und gar nicht mehr innovativer Slogan).

Ich stelle mir schon vor, wie ich mich in einem Groschenroman mit persönlicher Widmung wiederfinde, in dem Augen- und Haarfarbe, womöglich auch rassige Liebesszenen die wesentlichen Beschreibungsmomente sind...

Donnerstag, 28. Oktober 2010

26.10.: Zitat zum Tag

"Ich hab die Seen nicht erfunden, ich hab die Berge nicht kreiert... Ich hab was gegen die ewigen, abgelutschten Symbole." So Manfred Deix auf die Frage, ob er stolz darauf sei, Österreicher zu sein.

Ich kann mich ihm nur anschließen. Österreich ist überdies lebenswert, aber es gäbe noch viel zu verbessern.

Beginnen wir vielleicht bei der Verteilung des Sparpakets.