Samstag, 30. Oktober 2010

Das unfaire Paket

Über 70 % der Österreicher finden das neu verabschiedete Budget unfair. Studierende gehen auf die Straße. Und die FPÖ gewinnt so weit an Stimmen, dass sie in Wien knapp hinter den Koalitionsparteien liegt.

Zufällig falle ich in keine der Parade-Opfer-Kategorien: als autolose Nichtraucherin, die nicht mehr studiert und noch keine Familie hat, niemals unter die Hackler-Regelung fallen wird und keine Luxuslimousinen besitzt. Wenn ich hin und wieder verreise, ein-, zweimal pro Jahr davon per Flugzeug, würde ich dafür lieber einen Baum pflanzen als Steuern zahlen, aber auch das würde ich tun. Und höhere Tabakpreise finde ich in Ordnung, obwohl keine wirksame Strategie.

Einige trifft es aber doppelt und dreifach. Und hinter diesem Problem steckt das übliche: Abwarten bis nach der Landtagswahl, dann ein übereiltes Budget, Zurückziehen auf die Proteste hin... was dabei herauskommt? Wahrscheinlich eine österreichische Lösung: ein halbherziges Paket aus Zugeständnissen und Zumutungen, das auch nicht recht ziehen wird.

Freitag, 29. Oktober 2010

Literatur 2.0 oder Die Auswüchse der Verlagsbranche

Ein Verlag in München bietet "personalisierte Romane" an. Auf der Internetseite steht eine genreumspannende Auswahl an Beispieltexten zur Verfügung, die man sich unter Angabe von Eigenschaften der gewünschten Hauptpersonen - in der Regel die Lieben und Freunde, die man mit dem Ergebnis beschenken will - gefügig machen kann.

Kerninformationen, Abbildungen und Textbeispiel sollen uns auf den Geschmack bringen. Ein strukturiertes Bestellformular begleitet uns beim Anlegen dieses pseudo-persönlichen Werks. Dort können wir etwa "eine Anzahl von persönlichen Eigenschaften und Vorlieben der beiden Hauptfiguren festlegen: Name und Kosename, Augen- und Haarfarbe, Orte, oft auch Lieblingsfarbe und -musik". Nebenbei bemerkt: "Liebesszenen wählen sie [sic!] zwischen den Varianten 'lässig' und 'rassig'." Und auch der oder die Schenkende wird auf einer Widmungsseite verewigt, auch dem schenkenden Ego ist also Genüge getan.

"Personal Novel" - das ist: nicht nur Selbstbeweihräucherung und die Vorgaukelung der Tatsache, mit etwas Hilfe (einem Textskelett, einer Pauschalhandlung) eine Art Roman zu kreieren ("Schau, ich kann schreiben.") Auch ein absurdes Modern-Times-Phänomen: die publikatorisch-medialen Auswüchse einer Literatur 2.0(Schlagwort "interaktiv"). Sozusagen das Umkehrmotiv der neuzeitlichen Massenproduktion und Gleichmacherei ("Du kannst individuell gestalten.") Mit dem heute so ziemlich jedes Unternehmen im Dienstleistungssektor wirbt (à la "Wir bieten maßgeschneiderte Lösungen..." - ein ganz und gar nicht mehr innovativer Slogan).

Ich stelle mir schon vor, wie ich mich in einem Groschenroman mit persönlicher Widmung wiederfinde, in dem Augen- und Haarfarbe, womöglich auch rassige Liebesszenen die wesentlichen Beschreibungsmomente sind...

Donnerstag, 28. Oktober 2010

26.10.: Zitat zum Tag

"Ich hab die Seen nicht erfunden, ich hab die Berge nicht kreiert... Ich hab was gegen die ewigen, abgelutschten Symbole." So Manfred Deix auf die Frage, ob er stolz darauf sei, Österreicher zu sein.

Ich kann mich ihm nur anschließen. Österreich ist überdies lebenswert, aber es gäbe noch viel zu verbessern.

Beginnen wir vielleicht bei der Verteilung des Sparpakets.

Montag, 25. Oktober 2010

Zeichen setzen

Die Meldungen um die Missbrauchsfälle im Kirchenumfeld ebben ab, die Aufregung sinkt, die Zahl der Kirchenaustritte stagniert wieder.
Waren das alles Menschen, die angesichts dieser Aufdeckungen ein Zeichen setzen wollten? Und jetzt setzt keiner mehr ein Zeichen?
Für die überwiegende Mehrheit war es sicher der Tropfen, der das berühmte Fass zum Überlaufen brachte. Weil sie sowieso nicht an der Kirche hingen und zu bequem waren auszutreten oder keinen konkreten Grund sahen. Dann solidarisiert man sich.
Angesichts dieser Quälereien ein Zeichen zu setzen, ist begrüßenswert. Und erst Zahlen und Statistiken machen Institutionen meist bewusst, dass etwas schief läuft. Wie ein italienischer Kirchenmann schon im Juni sagte: der Rückgang der Schäfchen zwingt die Kirche, über die Ursachen nachzudenken.
Doch weder die Struktur noch das Dogma der katholischen Kirche wird sich deshalb ändern. Eine durch zwei patriarchalische Jahrtausende geprägte Tradition ist träge und lässt sich so rasch nicht umwerfen. Und es steckt ja auch Geld dahinter.
Austritte bedeuten ebenfalls weniger Geld, weniger Nachwuchs und weniger Prestige. Nun muss die Kirche handeln - irgendwie, trotz Trägheit. Insofern haben die Ausgetretenen wohl wirklich ein Zeichen gesetzt.

Samstag, 9. Oktober 2010

Teilzeit-Modelle

Der Herr, den sie in der Reportage als Modell darstellen, ist Universitätsprofessor und Vater von drei Kindern, die jüngeren Zwillinge und anderthalb Jahre alt. Und er ist in Elternkarenz. Dabei erhält er nicht nur etwa 90 % seines Gehalts, sondern hat nach seiner Rückkehr ins Berufsleben auch Aussicht auf Beförderung. Immerhin fördert er durch Elternschaft Gesellschaft und Wirtschaft, wie seine Vorgesetzte sinngemäß erklärt.

Der Herr lebt in Schweden.

Schweden gilt als Vorzeige-Wohlfahrtsstaat der Kinderbetreuung. Elternkarenz und -teilzeit wird gefördert, die Kinderbetreuung ist sehr gut ausgebaut und die nötigen Werte in der Gesellschaft vorhanden. Und genau daran hapert es im deutschsprachigen Raum.

Hier gilt: Mütter möglichst lang am Herd, damit die Kinder gut gedeihen. Ein ungesundes Extrem. In Frankreich, dem Land der berufstätigen Mütter, die meist nach dem Mindest-Mutterschutz an den Schreibtisch zurückkehren, das andere Extrem. Beide sollten ebenso zum Nachdenken anregen wie Schweden.

In Zeiten, wo Gleichberechtigung angestrebt wird, aber unverwirklicht ist; wo Arbeitssituationen prekär sind und fast niemand sein Leben lang im selben Job bleibt; wo "flexible Arbeitsmodelle" vorherrschen und Selbstverwirklichung hohen Wert hat, sollten Elternteilzeit und Väterkarenz ein Leichtes sein. Nicht nur ArbeitnehmerInnen sollten flexibel sein müssen, auch ArbeitgeberInnen müssen es sein.

Schweden ist dabei ein Modell und kann nur mit der dort vorhandenen Infrastruktur funktionieren. Aber: ein Modell ist eine Vorlage zum Daran-Arbeiten. Also arbeiten wir los.

Sonntag, 3. Oktober 2010

Einen Schritt weiter

Ikea ist einen Schritt weiter.

Das duzende Möbelhaus hat einen Werbespot kreiert, der die herkömmlichen Ehemann/frau-überrascht-Liebhaber/in-Klischees ein wenig verschiebt und veräppelt. Werbespot-Hauptfigur Florian* weiht nämlich mit einer Dame leidenschaftlich seinen Küchentisch ein und wird dabei von seinem Partner ertappt (woraufhin sich die Dame im geräumigen Küchenschrank verstecken kann).

Das Sujet ist nicht gerade neu - dass es mit einer anderen Ausgangslage arbeitet, hebt es von ähnlichen Spots ab. Im Spot zumindest ist die Partner- und Geschlechterwahl selbstverständlich frei. Das finde ich gut. Dass es nötig ist, das gut zu finden, ist schade. Dass es gemacht wird, ist immerhin ein Anfang.


*) Ja, nicht nur die Möbel, auch die Figuren haben Namen - und Ikea dokumentiert diesen und andere Spots sowie die Geschichten und "G'schichtln" dazu ausführlich auf der Homepage: http://www.ikea.com/at/de/aktivitet/tv-spots.html